Hexenforum hinterm Schwarzdorn
Redewendungen Teil III
"Sich wie gerädert fühlen"
Rädern war keine Folter, sondern eine der
grausamsten Todesstrafen, die im Mittelalter
verhängt werden konnten, weil sie mit
unmenschlichen Schmerzen verbunden war.
Bei dieser Strafe für Straßendiebe und
Mordbrenner wurde dem Verurteilten ein
schweres Wagenrad auf die Arme und Beine
gewuchtet, bis die Knochen in viele Stücke
zerbrochen waren. Diese schon äußerst
schmerzhafte Prozedur wurde fortgesetzt,
indem die gebrochenen Gliedmaßen in die
Speichen des Rades geflochten wurden.
Schließlich wurde das Rad auf einen Pfahl
gesteckt, und der Sünder musste in dieser
Stellung auf den Tod warten.
Kaum zu glauben, aber diese Art der
Hinrichtung wurde bis ins 19. Jahrhundert
praktiziert.
"Den Garaus machen"
Ursprünglich benutzte man die Kombination
"Gar aus!" im Mittelalter, um die
"Polizeistunde", nach der nichts mehr
ausgeschenkt werden durfte, mit diesem Ruf
bekannt zu geben. Nach und nach
verselbständigte sich der Ausdruck zu einem
zusammengezogenen Substantiv, wurde auf
diese spezielle Nachtzeit gemünzt und dann
auch mit dem zugehörigen Glockenläuten vom
Kirchturm in Verbindung gebracht. Auf den
Tod übertragen hat man später den Begriff,
weil eine der Hauptaufgaben der
Kirchenglocken ist, bei Totenmessen und
Beerdigungen zu läuten.
"Sich die Sporen verdienen"
Bevor ein adeliger Knabe den Ritterschlag
erhalten konnte, der ihn zu einem vollwertigen
Mitglied dieser Schicht machte, musste er
sieben Jahre lang als Page dienen, um
Erfahrungen im Umgang bei Hofe zu sammeln
- er musste lernen, "höflich" zu sein. Sieben
weitere Jahre diente er dann als Knappe bei
einem Ritter, bei dem er das Waffenhandwerk
erlernte. Er führte schon Waffen, trug auch
schon Sporen und durfte an Kampfspielen
teilnehmen. Mit 21 Jahren empfing er die
Schwertleite, die im 14. Jahrhundert durch den
Ritterschlag abgelöst wurde, wenn er sich
durch Mut und Treue ausgezeichnet hatte.
Dabei wurden ihm goldene Sporen angelegt.
Dass er diese Würde verdient hatte, musste er
in der nächsten Schlacht in der ersten
Kampflinie beweisen.
"Vom Leder ziehen"
Die Arbeit eines Barbiers erforderte ein
möglichst scharfes Rasiermesser - "haarscharf"
eben. Den letzten Schliff verpasste ihm der
Meister mit Hilfe eines Lederriemens, auf dem
er die Klinge unter Druck hin und her gleiten
ließ.
Dennoch weist die Redewendung vielmehr auf
die Bewaffnung des Kriegers mit Hieb- und
Stichwaffen hin. Dolche, Messer und vor allem
Schwerter steckten, wenn sie nicht gerade in
Benutzung waren, in ledernen Scheiden, damit
sich der Träger nicht versehentlich an ihnen
verletzen konnte. Wenn der Ritter das Schwert
"vom Leder" zog, wurde es ernst.
"Die Hand ins Feuer legen"
Dieses mittelalterliche Gottesurteil war sicher
eines der schmerzhaftesten, denn der
Angeklagte musste bei der Feuerprobe die
Hand ins Feuer halten. Als unschuldig galt, wer
sich entweder gar nicht verbrannte - was sicher
sehr selten vorkam - oder wessen Wunden in
kürzester Frist wieder verheilt waren. Von
einem ähnlichen Gottesurteil ist die
Redewendung "ein heißes Eisen anfassen"
erhalten geblieben; in der sogenannten
Eisenprobe musste der Beschuldigte ein
glühendes Metallstück tragen. Übrigens konnte
auch ein anderer Bürger, der von der Unschuld
des Angeklagten überzeugt war, stellvertretend
diese Proben auf sich nehmen. Es ist nicht
bekannt, ob sich jemals jemand dazu bereit
gefunden hat. Kein Wunder, dass wir heute
noch sagen: "Da möchte ich mir lieber nicht die
Finger verbrennen!"
"Etwas aus dem Hut ziehen"
Die Redensart geht zurück auf die Gewohnheit
der Bogenschützen, unter ihrem Helm, auch
eiserner Hut genannt, Ersatz-Sehnen mit sich
herum zu tragen. Diese konnten im Falle, dass
die Sehne ihres Bogens riss, aus dem Hut
gezogen und gespannt werden - der Kampf
konnte dann ohne wesentliche Verzögerung
weitergehen. Weil das "Ersatzteil-Lager" nicht
sichtbar war, kam die Reparatur für den Feind
überraschend.
"Zur Sau machen"
Im Mittelalter wurden Täter von kleineren
Vergehen oft dazu verurteilt, zum allgemeinen
Gespött einen Hund oder ein Schwein durch
die Stadt zu tragen. Später wurde das Tier
durch eine Maske in Tierform ersetzt. Das
Tragen einer solchen Schandmaske, zum
Beispiel eines wie ein Schweinekopf geformten
eisernen Korbes, war eine verbreitete Ehrstrafe,
denn sie gab den Täter der Lächerlichkeit preis.
Für verschiedene Vergehen gab es passende
Masken, die möglichst etwas mit der Tat zu tun
haben sollten.
Das Schwein galt, weil es sich gern im Schlamm
suhlt, als schmutziges Tier (was bekanntlich
nicht stimmt).
Deshalb sagt man bis heute von Menschen, die
sich hemmungslos gehen lassen, dass sie "die
Sau rauslassen."
Der Ausdruck "unter aller Sau" dagegen hat mit
Schweinereien nichts zu tun. Er leitet sich
vielmehr aus dem jiddischen Wort "seo" für
"Maßstab" ab, welches die Volksetymologie zu
"Sau" gemacht hat.
"Unter die Haube kommen"
Für eine verheiratete Frau im Mittelalter war es
unschicklich, ohne Kopfbedeckung aus dem
Haus zu gehen. Das Haar offen zu tragen, war
Symbol der Jungfräulichkeit. Die Haube wurde
am Tag der Hochzeit aufgesetzt, und
kennzeichnete so den Ehestand. "Unter einen
Hut bringen" drückte den Machtanspruch des
Ehemannes über seine Frau aus: Sie musste
akzeptieren, dass er den Hut auf hatte, das
Symbol der Herrschaft.
"Auf den Leim gehen"
Jahrhundertelang war es üblich, Singvögel in
Mengen zu fangen. Ein Teil davon wurde in
Käfigen gehalten, bevorzugt der
Fichtenkreuzschnabel oder andere Finken, da
diese Vögel schön singen. Viele Singvögel, vor
allem Amseln und Drosseln wurden aber auch
auf die Speisekarte gesetzt, teilweise, um im
Winter die nahrungsarme Zeit zu überstehen,
aber auch als Delikatesse. Die Vogelfänger
arbeiteten in der Regel entweder mit Netzen
oder mit Ruten, die mit Leim oder Pech
bestrichen waren. Ein Lockvogel in einem
daneben gestellten Käfig suggerierte den
Opfern die Harmlosigkeit der Leimrute, und
die kleinen Sänger blieben mit Füßen und
Flügeln kleben und konnten eingesammelt
werden - Pechvögel eben.
"Das Wasser nicht reichen können"
Bei einem mittelalterlichen Bankett herrschte
zwar Überfluss in Sachen Speisen und
Getränke, das Essbesteck aber war im Vergleich
zu heute erstaunlich einfach. Es gab nur Löffel
für die Suppe, ansonsten wurde mit den
Fingern gegessen. Um diese vor und nach der
Mahlzeit zu reinigen, konnten sich die Gäste
Wasser über die Hände gießen lassen. Es ist in
vielen mittelalterlichen Quellen bezeugt, dass
das "wazzer nemen" ganz selbstverständlich
zum Gastmahl gehörte. Das Wasser wurde den
adeligen Festteilnehmern von einem Pagen
offeriert, also einem Edelknaben, der am Hofe
des Gastgebers diente. Ein niederer
Angestellter, etwa ein Knecht, hätte den
hochgestellten Gästen nicht "das Wasser
reichen können", er hätte ja im sozialen Niveau
weit unter ihnen gestanden.
"Einen Stein im Brett haben"
Im Mittelalter gab es ein beliebtes Brettspiel
namens "Puff", auch "Trictrac" genannt. Es war
dem heutigen Backgammon ähnlich. Wer zwei
Felder nebeneinander besetzen konnte, hatte
einen guten Stein im Brett. Der Ausdruck
"Puff" für Bordell geht auf dieses Spiel zurück,
da es dort häufig gespielt wurde, man ging also
zum Puff.
Die Redewendung wurde in dem Sinn benutzt,
dass ein Vertrauter vor Ort, der einem bei
Problemen mit der Obrigkeit helfen kann, wie
ein guter Stein im Brett ist.
"Um die Hand anhalten"
Jahrhunderte lang kam für die Frau nur die
traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter in
Frage. Ein selbständiger Gelderwerb war
undenkbar. Noch weit ins 20. Jahrhundert
hinein waren viele Frauen völlig auf die
Fürsorge eines Mannes angewiesen. Dieser
Mann war erst der Vater. Bei der Heirat ging
die Verantwortung an den Ehemann über. Dies
wurde symbolisch dadurch ausgedrückt, dass
der Vater dem Bräutigam feierlich die Jungfrau
an der Hand zuführte. Dann legte der Vormund
die Hand der Braut in die des Bräutigams.
Die Hand, das wichtigste Werkzeug des
Menschen, war schon immer ein Symbol der
Macht, des Besitzes und Schutzes und stand
auch symbolisch für den ganzen Menschen.
Insofern meinte der Freier natürlich die ganze
Frau, wenn er um deren Hand anhielt.
In der Zeit der symbolischen Gesten war
übrigens auch der Fuß wichtig; auf den musste
der Mann der Angetrauten treten, um die
"Inbesitznahme" perfekt zu machen.
"Ein Schlitzohr sein"
Alle Gesellen trugen einen goldenen Ohrring,
der ihr Notgroschen, ihre eiserne Reserve war.
Hatte ein Geselle grob gegen Regeln verstoßen
oder war sogar straffällig geworden, so wurde
ihm vom Meister dieser Ring vom Ohr gerissen,
was eine schlitzförmige Narbe hinterließ - eine
Warnung an weitere Arbeitgeber oder Meister.
"Jemanden hänseln"
Mit dem Bruder von Gretel hat diese Redensart
nichts zu tun. Vielmehr geht sie zurück auf die
Hanse, vom 12. bis zum 17. Jahrhundert die
wichtigste Handelsvereinigung Mittel- und
Nordeuropas. In diese Gemeinschaft
aufgenommen zu werden, brachte viele Vorteile
mit sich. Allerdings erschwerten die Mitglieder
die Neuaufnahme durch Proben, die ein
Bewerber zu absolvieren hatte. Diese
Aufnahmezeremonien wurden schon 1259
durchaus ernsthaft "Hänseln" genannt und
waren drastischer, ja geradezu derber Natur.
Man ließ die Kandidaten klobige Pillen oder
üble Flüssigkeiten hinunterwürgen, warf sie in
einen Sumpf oder in eisiges Wasser. Daher hat
sich das Hänseln in der Bezeichnung
"jemanden ärgern" bis heute gehalten.
"Ein Quacksalber sein"
Der Bader war im Mittelalter, als die Medizin
noch in den Kinderschuhen steckte und sich
hauptsächlich auf die Lehre von den vier Säften
beschränkte, neben den Kräuterfrauen die
einzige Erste-Hilfe-Station. Er war zuständig
für Knochenbrüche und andere Verletzungen,
legte Verbände an und gab das eine oder
andere pflanzliche Heilmittel zur äußeren oder
inneren Anwendung. Quacksalber nannte man
die Scharlatane und Wunderdoktoren, die mit
einer Salbe alle Übel zu heilen vorgaben.
Ausgangspunkt dieses Begriffs ist vermutlich
das Quecksilber, ein wichtiger Bestandteil einer
Salbe gegen Syphilis. Eine andere Deutung
bezieht sich auf die Wörter "kwakken - prahlen"
und "zalf - Salbe".
"Im Schlaraffenland leben"
"Slur" bedeutet im Mittelhochdeutschen "fauler
Mensch". Im 14. Jahrhundert war ein "Slur-
affe" ein Müßiggänger. Faulheit und
Müßiggang wurden damals verachtet. Man
sprach vom "Schluraffenlandt", und der
Volksphantasie waren keine Grenzen gesetzt,
sich die Lebensweise der "Schluraffen" in den
sattesten Farben auszumalen.
"Das Blatt wendet sich"
Um Johannis, also nach der
Sommersonnenwende, findet in der Natur ein
eigenartiges Phänomen statt. Es senken bzw.
wenden sich die Blätter an fast allen Bäumen
mehr oder weniger stark, um mehr Regen
durchzulassen. An den gewendeten
Baumblättern kann man erkennen, dass der
längste Tag vorbei und der Höhepunkt des
Jahres überschritten ist.
Die Redewendung bezog sich zuerst nur auf die
Jahreszeiten, wurde im übertragenen Sinn
später auf die Wendungen des Schicksals
erweitert.
"Schwein gehabt"
Schon im Mittelalter gab es Wettbewerbe und
Preiskämpfe in vielen Disziplinen. Darunter
waren Pferderennen und Schießwettbewerbe
mit Bogen oder Armbrust am beliebtesten. Je
nach Anlass wurden hohe Preise ausgelobt. Der
Letzte gewann einen "Trostpreis", der auch
gleichzeitig ein "Spottpreis" war, nämlich ein
Schwein. Die Schande, ein Schwein durch die
Stadt treiben zu müssen, scheint größer
gewesen zu sein als das Glück, immerhin noch
ein ganzes Schwein mit nachhause nehmen zu
können. Zwar hatte man sich lächerlich
gemacht, aber auch etwas relativ Wertvolles
abbekommen, also: Glück im Unglück.
"Die Tafel aufheben"
Die Einrichtung mittelalterlicher Burgen war
weitaus schlichter, als sich das die meisten
Menschen heute vorstellen. Der "Rittersaal"
war relativ leer, die Gäste des Hausherrn
nahmen auf einfachen Bänken Platz, und die
Speisen standen auf großen Brettern, die auf
Holzböcken lagen. Die Tafeln wurden nach dem
Mahl mit allem, was darauf stand, mit
Speiseresten und benutztem Geschirr,
aufgehoben und aus dem Saal getragen.
Schon sehr lange werden keine Tischplatten
mehr aus dem Raum getragen, und dennoch
hat sich die Redensart bis heute gehalten als
Signal, dass eine Mahlzeit beendet ist.
"Unter einer Decke stecken"
Zwangsheiraten waren im Mittelalter üblich.
Die Verheiratung der Kinder wurde meist von
den Eltern betrieben, wobei andere Faktoren
eine Rolle spielten als Zuneigung. Das ganze
ähnelte eher einem Geschäft oder
Zweckbündnis. Laut "Sachsenspiegel" von 1220
gehörte es zu den symbolischen Rechtsakten,
dass eine Ehe erst dann als rechtmäßig
geschlossen galt, wenn die frisch Vermählten
zusammen und vor Zeugen ins Bett gestiegen
waren und sich zugedeckt hatten, also unter
einer Decke steckten.
In den höfischen Ritterepen wird außerdem
berichtet, dass auch Ritter eine Bettstatt teilten,
wenn es, zum Beispiel bei Festen auf Burgen, zu
wenige Kammern gab. Selbstverständlich
jedoch schliefen nur Freunde, die sich trauten,
dass heißt vertrauten, unter einer Decke.
"Einen Korb geben"
Ein weit verbreiteter Brauch im Mittelalter:
Freiern, die unter dem Fenster ihrer
Angebeteten standen, wurde ein Korb aus dem
Fenster heruntergelassen. Darin konnten sie
sich zu ihr hochziehen lassen. Einem nicht
willkommenen Freier schickte die Dame einen
Korb mit beschädigtem Boden, der unter dem
Gewicht des Mannes dann heraus brach. Diese
"bodenlose" Gemeinheit ließ den Liebhaber
"durchfallen".
Eine andere Variante der Abweisung bestand
darin, das Hochziehen eines intakten Korbes
auf halber Höhe zu stoppen, den Freier also
"hängen zu lassen".
"Eine Eselsbrücke bauen"
Esel gelten als dumm und störrisch. Dies
entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Esel
wissen genau, was sie wollen und was nicht,
und dafür gibt es dann auch einen guten
Grund. Zum Beispiel weigern sich Esel, auf
einer Brücke, die keinen geschlossenen Boden
hat, einen Fluss zu überqueren. Diese Vorsicht
ist nur natürlich, denn das Tier weiß ja nicht,
dass seine Scheu unbegründet ist. Im
Mittelalter verstand man also unter einer
Eselsbrücke eine Schwierigkeit, die nur für
Dumme gilt, keine echte, sondern nur eine
vermeintliche Gefahr. Diese Erklärung ging im
Laufe der Zeit verloren, so dass man die
Wendung heute genau umgekehrt versteht,
dass nämlich für den Esel, also den angeblich
Dummen, eine Hilfskonstruktion errichtet
wird, die ihm hilft, eine Schwierigkeit zu
überwinden.
"Aus dem Stegreif"
Dieses Substantiv reicht schon ins
Althochdeutsche zurück. Der Begriff hat mit
dem Stehen nichts zu tun und ist deshalb kein
"Steh-Greif", sondern müsste "Steg-Reif"
geschrieben werden. Es handelt sich um die
alte Bezeichnung für den Steigbügel, der früher
mehr wie ein Reif, also ein Ring, geformt war.
Um größere Aufmerksamkeit zu erzielen,
verlasen Kuriere oder Herolde die Botschaften
ihres Herrn, ohne vom Pferd zu steigen. Sie
erhoben sich vielmehr aus dem Sattel, blieben
also in den Stegreifen, den Steigbügeln.
Deshalb bezieht sich die Redensart auf den
eiligen Reiter, der etwas erledigt, ohne
abzusteigen. Später veränderte sich der Sinn
dieser Wendung hin zum Spontanen,
Improvisierten.
"Die Kurve kratzen"
Die mittelalterlichen Städte hatten enge
Gassen, die eigentlich nur für Fußgänger und
für von Eseln gezogene Karren gedacht waren.
Als Kutschen aufkamen, hatten diese oft
Schwierigkeiten, um die Ecken zu biegen, ohne
die Wände der Häuser zu berühren, vor allem,
wenn sie ein bestimmtes Tempo überschritten.
Dann kratzten die vorstehenden Naben der
Wagenräder an den Hausecken, oder die
Seitenwände der Wagen beschädigten diese.
Um das zu verhindern, ließen sich die
Bewohner von Eckhäusern etwas einfallen. Sie
ließen große Steinblöcke, auch "Kratzsteine"
genannt, dicht an der Hausecke so in den
Boden ein, dass sie weit emporragten. Die
Lenker der Pferdewagen waren dann
gezwungen, Abstand zu halten, wenn sie nicht
einen Radbruch riskieren wollten.
"Türmen"
Das Gefängnis der Stadt, der Kerker, war im
Mittelalter meist in einem der Stadttürme
untergebracht. Es war sicher das Ziel eines
jeden Häftlings, hier heraus zu "türmen".
"Auf Heller und Pfennig"
Ein Heller ist eine seit 1228 geprägte
Kupfermünze, die nach der Stadt Schwäbisch
Hall benannt wurde, während der Pfennig
schon von Karl dem Großen als kleinste Münze
eingeführt wurde. Wenn man also etwas "auf
Heller und Pfennig" bezahlt, will man nicht die
geringste Summe schuldig bleiben. Genauso ist
jemand, der "keinen Heller wert" ist, auch
heute noch ein nichtsnutziger Mensch, man
könnte sogar sagen: "keinen Pfifferling wert",
denn dieser Pilz war im Gegensatz zu heute so
weit verbreitet, dass es sich nicht lohnte, ihn
auf dem Markt zu verkaufen. Ein Deut war eine
niederländische Münze und hatte den Wert von
ungefähr 2 Pfennigen. Wer also "keinen Deut
besser" ist, ist ein genauso schlechter Kerl.
"Mit jemandem Deutsch reden"
Das Wort "diutisc - deutsch" erscheint zum
ersten Mal in einem althochdeutschen
Dokument aus dem Jahre 786 und bedeutete
damals in etwa "volksmäßig", im Gegensatz
zum Lateinischen. Von "Deutsch" im heutigen
Sinne kann dabei allerdings kaum gesprochen
werden. Wir hätten dieses "Deutsch" nicht
verstanden. Bis ins späte Mittelalter und in die
Neuzeit hinein lebte Latein als Gelehrten- und
Kirchensprache weiter und war dem Volk
unverständlich. Die Reformation hatte nicht
zuletzt dadurch Erfolg bei den Menschen, weil
sie auf Latein als Gottesdienst-Sprache
verzichtete. "Mit jemandem Deutsch reden"
bedeutete damals, ""für jedermann
verständlich" zu sprechen.
"Geld bei etwas herausschlagen"
Geld wurde im Mittelalter nicht mittels einer
Presse hergestellt, sondern aus dem Metall
geschlagen. Die Redewendung bedeutet also
eigentlich, dass man z.B. aus einem
Silberbarren durch einen Prägeschlag
möglichst viele Münzen - heute würde man
sagen, Kapital - "heraus schlägt".
"In den Wind schlagen"
Im "Sachsenspiegel" aus dem 13. Jahrhundert,
dem ersten deutschen Rechtsbuch, wird
beschrieben, wie damit umzugehen war, wenn
ein Beklagter nicht zu einem gerichtlich
angeordneten Zweikampf erschien. Ein
Gerichtskampf war damals ein anerkanntes
Mittel, ein Gottesurteil einzuholen. Wenn also
der Kläger sich nicht mit dem Beklagten
schlagen konnte, ging man davon aus, dass
dieser damit seine Schuld eingestanden hatte.
Damit aber der Kläger als Sieger vom Platz
gehen konnte, musste er drei Mal in den Wind
schlagen, was wohl als symbolische Kampf-
Geste zu werten ist. Erst mit dieser
Rechtsgebärde hatte er den Zweikampf offiziell
gewonnen. Die typische "wegwerfende
Handbewegung", die heute noch ausdrückt,
dass man eine andere Meinung nicht
akzeptiert, ist ebenfalls noch ein letzter Rest
vom "In den Wind schlagen".